Oh ja… es ist ganz normal, dass man IMMER Zeit hat. Dass man ständig zur Verfügung steht und den Frust, die Panik, die Verzweiflung und die schlechte Laune bei sich abladen lässt. Man umgeht dabei sogar Gesetze, für die man später vermutlich belangt wird… aber wehe man pocht darauf!

Warum mein Unmut?

Weil der Schulalltag durch meine eigenen Fehler herausfordernder wird. 🙂

Warum passierte mir der Fehler?

Einfache Antwort… mir als akribische Person passiert so etwas einfacht nicht. Einzige Ausnahme, wenn ich überarbeitet bin. Nicht die Zeit habe, dass ich akribisch sein kann, sondern alles eher nur abgehandelt wird. Ich nicht bei der Sache bin, mich darauf einlasse und zu viele Dinge gleichzeitig tu(n muss).

Aber… ich habe mir auch gedacht: Ok, ich bin ein Mensch, so etwas passiert und ich bin nett und versuche es wieder gut zu machen. Komischerweise wird mir dann genau das vorgeworfen. Und dann stehen die Eltern 2 Minuten vor Aufsichtspflicht vor mir und fordern volle Aufmerksamkeit, vollstes Verständnis. Ich hatte nicht den Mut, die Gespräche zu unterbrechen. Erst meine Chefin sorgte für die nötige Gesetzeseinhaltung, Gespräche am nächsten Tag NACH dem Unterricht.

Klar… ich MUSS mir Zeit nehmen. Gehört zu meinen Pflichten, sind in meiner Gehaltserhöhung von 60€ brutto inbegriffen. 😀

Was in der Fortsetzung folgte waren 90 Minuten pure Vorwürfe. Die Eltern konnten sich in diesen 29 Stunden dazwischen optimal vorbereiten, selbst der Besuch beim Rechtsanwalt ging sich noch aus. Da wurde mir dann zitiert, dass es verboten sei in der Volksschule Tests zu schreiben. Nur blöd, dass im April des Vorjahres ein anderer Erlass seine Vollziehung forderte. Hm. Wenn, dann bitte zu einem Rechtsanwalt gehen, der sich auch auskennt! Das war quasi der Eröffnungssatz… in dem „Ton“ ging es weiter. Nichts desto trotz gelang es mir, sachlich zu bleiben… aber wenn man in die Augen der beiden Mütter blickte, sah man pure Verzweiflung, ja fast schon Panik. Und warum? Nur wegen der Noten!

Da kommen dann so Sätze wie „Sie verbauen meinem Kind die Zukunft, wenn es nicht alles Einser hat!“. Ok. Ja. Ich habe Ihre Aussage gehört. Und auch die Panik in ihren Augen – wie bei einem Tier, das in die Enge getrieben wurde. Unvorstellbar!

Auf der einen Seite forderten die Eltern von mir noch viel höhere Leistungen. Ich habe es vollbracht und meine Klasse auf „Vordermann“ gebracht. Ich bin wirklich stolz auf sie, das Niveau ist sehr hoch. Nicht zu vergleichen mit früheren Zeiten (da wurde vollkommen anders unterrichtet und auch anderes gefordert) oder mit anderen Schulen, die den seit 2009 gesetzlich verpflichtenden BiSt nicht nachkommen. Da wird logisches Denken gefordert, vernetztes Denken – das kann man einfach nicht so mir-nix-dir-nix zu Hause auswendig lernen!

Aber jetzt kommt der Widerspruch: Die Eltern wollen, dass ALLE Kinder in ALLEN Fächern ihr Sehr gut bekommen. Wie soll das möglich sein? Habe ich nur Universalgenies in der Klasse sitzen? Ganz ehrlich? So clever „meine“ Kids sind, davon hätte ich noch nichts gemerkt!

Da gibt es Mädls, die sehr bedacht darauf sind, den anderen positive Rückmeldungen zu einer Präsentation zu geben, wenn sie merken, dass viele andere Negatives gesagt haben. Es gibt Buben, die grundehrlich sind und mir nach der Paus verkünden „Frau Lehrerin, wir haben dir Zuckerl aus der Lade gestohlen!“. Da gibts es Kinder, die muss man öfters daran erinnern, bei einer Arbeit zu bleiben. Es gibt andere, die von sich aus so engagiert sind, dass sie mir die Tür einrennen mir kreativen Ideen. Ein paar wenige Kinder brauchen ihre tägliche Kuscheleinheit (ja, selbst noch in der vierten Klasse, „hängen sie mir am Rockzipfel“). Ein paar haben mir der Trennung der Eltern zu kämpfen. Andere klagen über finanzielle Engpässe. Ein paar sind schon ganze Nachmittage allein zu Hause.

Ein buntgemischter Haufen. Jeder einzigartig und liebenswert. Ich steh absolut auf diese Ehrlichkeit, die sie mir gegenüber an den Tag legen. Und dann kommen die Eltern, denen ich es ohnehin nie recht machen kann und fordern meine Kompetenzen heraus. Ja… da werde ich dann wieder anders voll gefordert. Da geht es nicht darum den Reißverschluss zu reparieren, weil er verhakt ist, oder den Korrekturroller neu aufzufädeln, weil das ganze Band herausgezogen worden ist, oder zum wiederholten Male den verlorenen Patschen wiederzufinden, aus dem untersten Eck der Schultasche das verschwundene Heft hervorzuzaubern, Stifte, deren Miene komplett zerbröselst ist wieder zu spitzen, Ängste vor dem Zahnarzt zu nehmen, still und heimlich darauf hinzuweisen, dass das Hosentürl offen ist, Fieberschübe zu stabilisieren, Übelkeit und Durchfall irgendwie zu koordinieren, patschnasse Kleidungsstücke ohne Heizkörper zu trocknen, Bücher zu reparieren… nein, hier geht es darum, mit genau so viel Feingefühl auf die Eltern einzugehen. Sie genau dort abzuholen, wo sie stehen, mit allen ihren Sorgen und Ängsten. Einziger Unterschied: Kinder wehren sich nicht dagegen. 😀

Auch wenn es mir wieder einiges abverlangt hat (vor allem an Zeit und Energie), so konnte ich es diesmal doch mehr von außen betrachten. Einen Vorwurf kann ich einfach so, ungeöffnet zurückschicken. Da ging es darum, dass ich davon ausgehe, dass die Eltern für die Kinder die Arbeit erledigen zu Hause. Dieses Misstrauen gebe ich zurück, denn sie vertrauen mir (scheinbar) nicht, dass ich gute Arbeit leiste. 😉 Und die „fremde“ Schrift in den Heften/Büchern spricht für sich. 😉

Lustig fand ich es auch, dass dann versucht wurde, alles auf eine Mutter abzuschieben, mit der ich lange Zeit heftige Auseinandersetzungen hatte, sodass eine Kommunikation ohne Frau Direktor nicht mehr möglich war. Vorteil dieser Mutter ist, dass sie selbst zu mir kommt. Sie nimmt sich kein Blatt vor den Mund, übergeht die Elternvertreter und tut ihren Unmut mitunter lautstark und forsch kund. Was die meisten nicht wussten, dass diese Mutter und ich uns das selbst ausgemacht haben. Und hätte sie diesmal auch dieses Problem gesehen, wäre sie wohl die Erste bei mir gewesen. 😀 Nur ein kleines bisschen Schadenfreude meinerseits – die ich dann mit besagter Mutter teilte… weil wir ja alle wissen, wie die „Meute“ tickt. 😉

Obwohl offiziell niemand meine Handynummer hatte, wurde ich mitunter sonntags um 20:00 kontaktiert, oder wochentags um 6:00. Ja, das ist ganz „normal“ im Lehrberuf… ich habe es mir ausgesucht. Und daher kann ich mir auch jetzt aussuchen, was ich daraus mache. Die Halbjahresnoten sind quasi schon fixiert… ab jetzt kehrt wieder viel mehr Spaß ein! Ich werde meine Schüler zum Lachen „nötigen“, ernst wird es früh genug… manchmal wohl spätestens wenn sie zu Hause von der „Realität“ eingeholt werden.

Es sind Kinder!